
weihnachten war für mich immer – und ist es bis heute – ein familienfest. alle kommen zusammen, einige zu spät, und wir warten auf das leuten der kleinen glocke, welches bedeutet, dass wir unsere geschenke unter dem baum aufreißen dürfen. aber nicht, bevor wir nicht um eben jenen getanzt und gesungen haben. dann wird gehofft, dass die gemachten geschenke auch gefallen, die nach und nach in aufgeregter stimmung überall auf dem boden verteilt, bestaunt und ausprobiert werden. es werden fotos der jüngeren generation hinter-, neben- und übereinander auf der treppe gemacht, fonduefeuer mit pullovern gelöscht und so viel gegessen, bis meine kleine cousine rücklings aufs sofa fällt und nur noch vereinzelt ein brummen von sich geben kann. im weiteren verlauf des abends kramen wir die alten vhs-familienvideokasetten raus, wir spielen tabu und activity bis wir vor lachen heulen und um 22 uhr beginnt die kirche für diejenigen, die möchten.
danach gibs dann endlich nachtisch! wir haben wie jedes jahr den obstsalat mitgebracht. meine tante, die die letzten tage unerbittlich für uns in der küche stand, hat wieder in einen der desserts eine mandel versteckt. also obacht! wir nehmen uns bayrische creme, mandelmuß, pudding, maronen- oder baileyscreme (oder oder oder oder) und beäugen uns gegenseitig, ob nicht jemand eine verräterische ohoh-ich-hab-die-mandel-miene aufsetzt. nicht, dass sie heimlich zerkaut wird und unentdeckt für immer und ewig in dem magen einer der hier anwesenden verschwindet. das darf unter keinen umständen passieren, denn wer die mandel hat, muss was vortragen!
wer wird des diesmal? mein onkel, der schon wieder ganz vergessen hatte, dass wir dieses kleine ritual haben und sich schelmisch zeitschindend ausgiebig darüber beschwert, es hätte ihn niemand, also gar keiner, darüber informiert, dass die möglichkeit bestünde, dass er vielleicht, falls es überhaupt soweit kommt, gegebenenfalls, wenn überhaupt, unter umstanden, ausgenommen jemand anderes bekommt die mandel, also dass, naja, also. jaa. na gut. na dann. ääähm. also… kennt ihr schon die geschichte, wie ich damals in alaska auge in auge mit dem braunbären tanzte?
oder meine cousine, die mit wehenden haaren und ihrer neuen luftgitarre last christmas performt, nachdem sie zwischen unsere klappernden nachtischschälchen auf den tisch gesprungen ist?
oder mein schwager, der mit seiner verdutzten tochter auf dem arm zu selbstgesungenem walzer durch alle zimmer schwebt?
also – ihr merkt schon, ich bin voller spannung auf den mandelmoment. und bevor ich mich vor aufregung hier gleich nicht mehr halten kann, kommt jetzt der stimmungsschwung.
weil manchmal, ja, manchmal ist familie anstrengend. und manchmal tut es weh, wenn sich etwas verändert. zum beispiel nachdem entschieden war, dass wir unseren vater ab jetzt am ersten weihnachtstag zum brunchen treffen, weil er heilig abend nicht mehr dabei sein wird. oder wenn ich vielleicht nicht von den großartigen errungenschaften, erlebnissen, abschlüssen oder erfolgen berichten kann, die sich meine familie für mich wünscht. oder wenn wir uns von einem menschen für immer verabschieden mussten.
doch ganz egal, welche themen uns begleiten, welche prozesse wir miteinander teilen – und hier meine ich besonders diejenigen, die wir solange vor uns herschieben, bis es zu anstrengend wird und wir uns schmerzhaft streiten – ganz egal, wie schwer es manchmal ist, bin ich so dankbar.
weil ich in meiner familie vertraue, dass der mensch mir gegenüber für mich gutes möchte. weil ich ernstgenommen werde. weil ich keine angst haben muss vor zurückweisung. so verletzend oder unverständlich das verhalten der anderen manchmal auch sein mag, erschaffe ich verständnis und kommuniziere mich, weil ich eines weiß: dass sie mich lieben. und ich sie. no matter what.
und während sich freunde am heiligen abend später noch in der bar treffen, zocke ich im wohnzimmer meiner tante mario cart und habe wieder mal den abend meines lebens.
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