über lametta

jedes jahr freue ich mich sehr, wenn ich mir anfang september meine ersten spekulatius kaufe. find ich super. hat irgendwie was besonderes, dass wir sie nur um die weihnachtszeit bekommen – fast ein ganzes halbes jahr, bis halt im januar ostern anfängt. 

die kekslobby muss groß sein, zumindest gehe ich nicht davon aus, dass schon vor industrieller fertigung der duft von vanillekipferl und lebkuchen über stadt und land zog, während die ernte noch auf den feldern stand. anonymes wirtschaften hat sicherlicher unser traditionelles weihnachten verändert. is halt so. 

das fest der liebe durfte sich schon mit einigen gesellschaftlichen anpassungen einkleiden. ob nun coca-cola dem weihnachtsmann sein rotes outfit sponsorte oder ob jesus tatsächlich am 25. dezember geboren wurde, weiß ich nicht. die menschen neigen dazu, die geschichten zu den eigenen gunsten weiterzuerzählen. coca-cola hätte es sicher nicht geschadet, den lieblingsmenschen aller kinder in ihre farbe zu stecken. dass jesus ein persönliches interesse an eben jenem geburtstag hatte, bezweifle ich, doch dass sich die kirche einen schon bestehenden feiertag zu eigen macht, scheint mir durchaus plausibel. und hätte sich das dritte reich durchgesetzt, hätte man dem christkind mit sicherheit nicht nur seinen geburtstag sondern auch sein judentum abgesprochen. 

all dies passiert im schoß der wintersonnenwende. eine zeit, die in den ältesten kulturen schon heilig war. die geweihten nächte eben. zeit der stille, der einsicht – im sinne von insichhineinsicht. wie war das jahr? wie ist es jetzt? was sind meine wünsche? die dunkelste zeit umhüllt uns und lässt uns in unsere nester fliehen. ich meine, falls wir eines haben natürlich. sonst schreibst du dem weihnachtsmann gegebenenfalls eine flaschenpost, die du dann in die elbe schmeißt, mit dem wunsch nach einem wärmeren schlafsack für deine isomatte unter den neonlichtern des saturns am hauptbahnhof. vielleicht hilft es ja, eine colaflasche zu nehmen, während der eisige nordwind dein einziges teelicht erlöschen lässt. 

ins mittelmeer werfen sich die menschen sogar selbst hinein, in dem verzweifelten wunsch nach freiheit und sicherheit. für sie ist das ganze jahr über weihnachten. 

nun könntest du annehmen, ich sei kein fan von diesem brauchtum. dem ist nicht unbedingt so. diese zeit des jahres ist für mich lediglich der höhepunkt der menschlichen skurrilität. vieles, was ich an uns beobachte, wird um weihnachten herum auf die spitze getrieben. das erzeugt in mir ein gefühl, welches dem inhalt des resteeimers nach einer party gleicht. alles wird zusammengekippt und am ende stinkts. ich will aber nicht, dass mir das jahresende stinkt. 

ich will bratapfel, zimt und glühwein riechen. ich will mich dick einmummeln müssen und mich freuen, in wärmenden wohnungen willkommen zu sein. ich will mich nach nem waldspaziergang an mamas ofen verbrennen und mit meinen cousinen und schwestern kuschelnd drei haselnüsse für aschenbrödel gucken. ich will die dunkelheit genießen können, wissend, dass der nächste frühling kommt. ich will die lichter tanzen sehen, die wir uns entzünden, um uns wärme zu schenken. ich will zum frühstück marzipan in zartbitterschokolade ummantelt mampfen. ich will lieben menschen schreiben, dass ich an sie denke. ich will es uns schön machen. ich will mit meinem neffen das lametta suchen.

und ich will verstehen. 

h

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